Der Einsatz von BIM bei der Sanierung von Tunnelbauwerken der Verkehrsinfrastruktur
Der Einsatz von Building Information Modeling (BIM) bei Sanierungsmaßnahmen von Tunnelbauwerken ist bislang keine etablierte Praxis. Ursachen hierfür sind unter anderem fehlende digitale Bestandsdaten sowie eine insgesamt unzureichend dokumentierte Planung und Instandhaltung vieler älterer Tunnelanlagen. Die Anwendung der BIM-Methodik birgt jedoch großes Potenzial, den zahlreichen ausstehenden Instandsetzungsmaßnahmen der Berliner Infrastruktur gezielt und effizient entgegenzutreten.
Insbesondere im Bereich der ÖPNV-Tunnelinfrastruktur werden BIM-Anwendungen für Sanierungen meist im Rahmen von Pilotprojekten oder Forschungsansätzen durchgeführt und untersucht. Mit dem Projekt „Waisentunnel 2.0“ hat sich die BVG Projekt GmbH als Bauherrenvertreter der BVG AöR das Ziel gesetzt, eine Sanierungsmaßnahme vollständig mit der BIM-Methode abzuwickeln. Hierdurch werden wertvolle Erfahrungen gesammelt und Standardlösungen konzipiert, die künftig als Referenz und Impulsgeber für weitere Instandsetzungsprojekte der Berliner Infrastruktur dienen können.
„Die Anwendung der BIM-Methodik birgt ein großes Potenzial, den zahlreichen ausstehenden Instandsetzungsmaßnahmen der Berliner Infrastruktur gezielt und effizient entgegenzutreten.“
Die Grundlage für die modellgestützte Sanierungsplanung bildet ein digitales Bestandsmodell, welches die aktuelle Situation des zu sanierenden Tunnels detailliert abbildet. Dieses Bestandsmodell basiert auf zwei Erhebungsmethoden: Zum einen werden mittels Laserscan Punktwolken erzeugt, welche durch Informationen aus Bestandsplänen ergänzt werden und als präzise geometrische Grundlage der Modellierung dienen. Zum anderen werden Bauwerksuntersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse als zusätzliche semantische Eigenschaften im Modell hinterlegt werden.


Ein wesentlicher Bestandteil solcher Bauwerksuntersuchungen ist unter anderem eine umfassende Risskartierung, bei der die erfassten Risse mittels Informationskörpern zentimetergenau im Modell verortet werden. Darüber hinaus werden zuvor entnommene und geprüfte Betonkernprobekörper als geometrische Objekte im Modell integriert und mit den Ergebnissen der Untersuchungen semantisch angereichert. Diese liefern beispielsweise detaillierte Informationen über den Zustand des Bauwerks, den Chloridgehalt, vorhandene Schäden oder Materialeigenschaften.
So entsteht ein umfassendes digitales Abbild des Bauwerks, das sowohl geometrische als auch bautechnische Zustandsdaten integriert, diese transparent für alle Beteiligten darstellt und damit die Grundlage für die Planung und Durchführung der Sanierungsmaßnahmen bildet.


Im Projekt „Waisentunnel 2.0“ wurden auf Basis der durchgeführten Untersuchungen und Probeentnahmen die einzelnen Instandsetzungsmaßnahmen für die spätere Bauausführung geplant und modellbasiert abgebildet. Dabei erfolgt eine strukturierte Trennung in Fachmodelle, beispielsweise für Betonabbruch, Betoninstandsetzung oder Rissverfüllung. Jedes dieser Fachmodelle enthält sogenannte PropertySets, in denen die relevanten technischen Informationen zur jeweiligen Instandsetzungsmaßnahme strukturiert hinterlegt sind.
„Es entsteht ein umfassendes digitales Abbild des Bauwerks, das sowohl geometrische als auch bautechnische Zustandsdaten integriert, diese transparent für alle Beteiligten darstellt und damit die Grundlage für die Planung und Durchführung der Sanierungsmaßnahmen bildet.“
In den Fachmodellen „Beton“ sind beispielsweise alle Angaben enthalten, die für die Ausführung der Sanierung erforderlich sind: Dazu zählen die Abtragsdicke innerhalb der Abbruchmaßnahmen, die Auftragsdicke des Betons bei der Instandsetzung, Angaben zu den spezifischen Maßnahmen wie Spritzbetonauftrag und Informationen wie Bewehrungszulage sowie die genaue Kilometrierung der Maßnahme. Die geometrische Modellierung der Instandsetzungsbereiche ermöglicht nicht nur eine präzise visuelle Verortung der Maßnahmen im Bauwerksdatenmodell, sondern bildet zugleich die Grundlage für die Ableitung von Plänen, die modellbasierte Mengenermittlung und eine genaue Ableitung der Kosten.
Das Projekt „Waisentunnel 2.0“ befindet sich derzeit in der Planungsphase. Bereits in dieser zeigt sich der Mehrwert der Anwendung der BIM-Methodik für Sanierungsmaßnahmen. Unvollständige oder widersprüchliche Bestandsunterlagen können durch die präzise, geometrisch exakte und semantisch angereicherte Verortung im digitalen Modell gezielt ergänzt oder ersetzt werden. Die Erfassung des Bestands sowie die Planung der Instandsetzungsmaßnahmen sind dadurch vollständig und nachvollziehbar dokumentiert. Zudem sind die Maßnahmen in eine zeitliche Abfolge gebracht. Diese wird als Simulation der späteren Bauausführung dargestellt.
Auch für die auf die Planung folgende Bauausführung bietet der modellbasierte Ansatz erhebliche Potenziale. Durch die im Vorfeld exakt verorteten und mit technischen Angaben angereicherten Instandsetzungsmaßnahmen können ausführende Unternehmen frühzeitig und transparent Einblicke in den Leistungsumfang sowie die örtlichen Rahmenbedingungen gewinnen. Die Fachmodelle dienen dabei als zentrale Informationsquelle.
„Bereits in der Planungsphase zeigt sich der Mehrwert der BIM-Methodik für Sanierungsmaßnahmen und auch für die folgende Bauausführung bietet der modellbasierte Ansatz erhebliche Potenziale.“
Im Zuge der Bauausführung wird ein aktualisiertes „As-Built-Modell“ (Bestandsmodell) erstellt, welches den sanierten Bestand inklusive der durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen abbildet. Langfristig ermöglicht die modellbasierte Dokumentation der Ausführung eine nahtlose und informationsverlustfreie Übergabe an den Betrieb. Die im Modell hinterlegten Informationen stehen anschließend für Wartungs- und zukünftige Instandhaltungsmaßnahmen der BVG AöR strukturiert und digital zur Verfügung.