Das Bauwesen zählt aufgrund seines hohen Material- und Energieeinsatzes zu den ressourcenintensivsten Branchen der Wirtschaft. Gleichzeitig spielen bei Bauprojekten auch Faktoren wie Kosten, Zeit und Qualität als Zielebenen eine zentrale Rolle. Um allen diesen Anforderungen sowie darüber hinaus auch den sozialen Auswirkungen eines Projektes gerecht zu werden, ist es entscheidend, bereits in frühen Projektphasen auch eine Nachhaltigkeitsdimension mitzudenken. Auf diese Weise lassen sich Bauprojekte sowohl umweltschonender, effizienter als auch gesellschaftlich verträglicher realisieren.

Einen wichtigen Beitrag dazu leistet Building Information Modeling (BIM). Mit der Einführung der BIM-Methode wurde es möglich, über die rein geometrische Darstellung von Bauwerken hinaus zu planen. Die Arbeitsmethode erlaubt die Integration zusätzlicher semantischer Informationen, sogenannter Dimensionen. Nach Zeit (4D) und Kosten (5D) beschreibt die sechste Dimension (6D) hierbei die Integration und Darstellung von Nachhaltigkeitsinformationen direkt im Modell. So können Umweltauswirkungen wie etwa Treibhausgasemissionen oder Energieaufwände als Eigenschaften direkt den einzelnen Bauteilen zugeordnet werden.

Ein aktuelles Beispiel hierfür liefert das Projekt zur Verlängerung der U3, in dem die BVG Projekt GmbH als Bauherrenvertretung der BVG AöR für die Umsetzung beauftragt ist. In diesem Pilotprojekt wird die BIM-gestützte Integration von Nachhaltigkeitsaspekten (6D-Modellierung) innerhalb der Planungs- und Ausführungsphase konzipiert und getestet. Der Ansatz ist es, auf Grundlage der geometrischen und semantischen Informationen aus dem Koordinationsmodell eine Ökobilanzierung durchzuführen und in das Modell zurückzuführen. Als Ergebnis sind die Umweltauswirkungen zu jedem Projektstand mess- und bewertbar und können als Grundlage für Entscheidungsprozesse herangezogen werden. Die Basis zur Ableitung einer solchen Ökobilanz ist ein Berechnungstool, das innerhalb einer wissenschaftlichen Forschungskooperation erarbeitet wurde. Mithilfe dieses Tools sowie vordefinierter Eigenschaften des 6D-Modells lassen sich unterschiedliche Umweltindikatoren, wie bspw. das Treibhausgaspotential und Energieaufwände auswerten.

Über den Planungsprozess hinweg entsteht ein iterativer Prozess, bei dem das Koordinationsmodell in jeder Projektphase um die jeweils fortgeschriebenen Nachhaltigkeitskennwerte aktualisiert wird. Entsprechend des BIM-methodischen Ansatzes dient das koordinierte Bauwerksdatenmodell als Single Source of Truth und bildet somit eine verlässliche Grundlage für die gemeinsame Projektarbeit (Abbildung 01).

Abb. 01: Attributdefinitionen und -werte für die Ökobilanz eines Stahlbeton-Bauteils im Modell

Hier zeigt sich die Stärke des 6D-Modells: Bereits vor der Verursachung der Umweltauswirkungen lassen sich diese in der Planung bauteilspezifisch identifizieren und mit anderen geometrischen Varianten, alternativen Materialien oder Konstruktionsweisen vergleichen. Eine beispielhafte Auswertung von Treibhausgasemissionen je m³ am Beispiel der U3 ist der Abbildung 02 zu entnehmen. Die Einfärbung der Bauteile nimmt in diesem Fall keine Bewertung der Treibhausgasemissionen vor. Dies kann jedoch durch Hinterlegung einer Skalierung vorgenommen werden.

Abb. 02: Visualisierung der Umweltkennwerte je Bauteil im Koordinationsmodell auf Grundlage der Ökobilanz

Diskussion und Ausblick

Das Pilotprojekt „Verlängerung der U3“ wird Mitte des Jahres 2026 mit der Ausführung der Hauptbaumaßnahme beginnen. Dabei sollen mit Hilfe des 6D-Modells die vereinbarten SOLL-Umweltauswirkungen kontinuierlich überwacht und für die Projektbeteiligten und die Öffentlichkeit transparent gemacht werden. Konkret unterstützt die 6D-Modellierung dabei die Erfassung, den Vergleich und die Dokumentation von Umweltwirkungen innerhalb des Koordinationsmodells, sodass Fortschritte bei der Erreichung der gesetzten Nachhaltigkeitsziele nachvollziehbar werden.

Das Pilotprojekt zeigt, wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Bauwesen Hand in Hand gehen müssen, um die geforderten Veränderungen zu erreichen. Durch die Integration von Umweltwirkungen in den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks werden die Planungs- und Ausführungsqualität erhöht, Transparenz geschaffen und Entscheidungswege nachvollziehbar.

Gleichzeitig bestehen weiterhin Herausforderungen: Die Erstellung der Ökobilanz sowie die Rückführung der Berechnungen ins Modell erfolgen bis dato halbautomatisiert und sind damit zeitintensiv und fehleranfällig. Künftig soll der gesamte Workflow direkt im Modell automatisiert ablaufen. Die BVG Projekt GmbH arbeitet bereits an einer Lösung, die Schnittstellen zwischen Softwareanwendungen und Dateiformaten vereinfacht und den Berechnungsprozess weitgehend automatisiert.

Auch wenn noch Entwicklungsarbeit notwendig ist, wird schon heute deutlich: 6D-BIM ist ein zentrales Werkzeug für eine Baupraxis, die ressourcenschonender, effizienter und zukunftsfähiger ist.